Von Sigi: Resümee der letzten 17 Tage

Hallo Ihr Lieben alle!

Seit Günzburg und dem Blick auf das Atomkraftwerk geistern mir einige Gedanken durch den Kopf. Wir standen „wild“ (frei) an einer mehrere Hektar großen Baggerseeansammlung, an der schwimmen erlaubt war. Sonst aber nix. Verbotsschild: Kein Lager- oder Grillfeuer, Hunde an die Leine, kein Zelten, kein Übernachten im Womo oder Auto oder Wohnwagen. Obwohl es dort sogar Klohäuschen und im Sommer auch Mülleimer mit Mülltrennung gibt. Deutsche Logik: Schwimmen am Atomkraftwerk erlaubt, obwohl gesundheitlich wahrscheinlich problematisch. Sonst aber nix, obwohl gesundheitlich sicher unbedenklicher als schwimmen.

Am nächsten Tag in Österreich eine richtig gute Erfahrung. Wir suchten den Stellplatz in Flachauwinkel, der nett an einer Jausenstation gelegen war. Die geschlossen war. Also Kehrtwende. Das sich weiter unten befindende Hotel hatte geöffnet, zwar nur für die Reisebusgesellschaft, aber wir bekamen einfach das gleiche Menü. Und es war kein Problem dort kostenlos auf dem Hotelparkplatz zu übernachten.

Der Wurzenpass führte uns nach Slowenien zu einem traumhaften Naturschutzgebiet. Eine völlig andere Landschaft als die, durch die wir vor zwei Jahren gekommen waren. Wunderschöne riesige Waldgebiete. Zu Fuß und mit Zelt wäre es sicher möglich, wochenlang dort herumzuwandern. Immer wieder kleine Dörfchen, sicher auch mit der Möglichkeit, Grundnahrungsmittel und Wasser zu bekommen. Leider ohne gute Straßenbeschilderung. Am Anfang der Passstraße hätte in Österreich oder Bayern oder der Schweiz sicher ein Schild gestanden, dass die Straße auf halbem Weg wegen Bauarbeiten gesperrt ist. In Slowenien eben nicht. So mussten wir nach steilen Serpentinen leider wieder zurück. Um auf einen völlig anderen Weg zu gelangen, der zu dem wunderschönen Bergsee führte. Der wiederum dem Wanderer das Baden ermöglicht. Und genug Fläche um zu zelten. Auch wenn das offiziell nur auf dem (jetzt geschlossenen) Campingplatz erlaubt ist. Wir standen davor auf einem Parkplatz und ein Zelt hätte sich im Wald verstecken lassen. Es ist einfach machbar, weil sich keine/r dran stört und niemand irgendwas zu eng sieht. Leben und leben lassen. Auch der zweite Tag in Slowenien hat uns durch wunderbare Landschaft geführt. Die Naturschutzgebiete sind wirklich sehens- und erfahrenswert.

Ich hab mir angewöhnt, von allen unseren Stellplätzen die Koordinaten zu notieren. Es erleichtert das Wiederfinden ungemein. Und es erspart im Weiteren die abendliche stressige Sucherei nach einem für Hund, Katz und Mensch geeigneten Platz. Diese drei unter einen Hut zu bringen ist nämlich gar nicht so einfach. Wenn es für uns gut wäre, neben einem Restaurant zu übernachten, ist das vielleicht nicht gut für die Katze, weil das Restaurant an der viel befahrenen Straße liegt. Und ein SP für die Katze ist in richtiger Natur gut, auch für uns, vorausgesetzt, wir haben vorher genug Wasser getankt und eingekauft. Alltags“problematik“: für alle Eventualitäten sorgen und dennoch das Womo nicht überladen…. Leider nicht immer machbar. Hier und jetzt in Albanien gibt es zwar gutes Wasser aus dem Ziehbrunnen, aber damit ist der Tank nicht zu befüllen, aus technischen Gründen. Und das Wasser aus dem Hahn ist nicht genießbar.

Aber zurück. Kroatien. Wunderschön wieder die Steilküstenansichten mit den vorgelagerten Inseln, diesmal etwas diesig, weil schlechtes Wetter. Zwei unterschiedliche Erfahrungen, was Stellplätze betrifft. Freie Stellplätze sind rar gesät, es gibt sie, aber sehr versteckt. Wir fanden einen abseits der Küste an einem See. Ruhig und abgelegen. Und kein Einheimischer hat was dagegen, dass hier in der Nacht ein Womo steht. An der Küste dagegen wird abgesahnt. Keine Möglichkeit frei zu stehen. Und die Camping- und Stellplatzbetreiber wollen für eine Nacht 20-28 Euro. Drei- bis viermal so viel wie in Italien. Für teilweise katastrophale sanitäre Bedingungen und schlechtes Wasser. Das wird uns in den nächsten Jahren dazu bringen, die Meeresküste zu vermeiden.

Bosnien-Herzegowina. Meine einzige Erfahrung: Autocamp Blagaj River, ein Traum. Wegen der Herzlichkeit der Besitzer. Unglaubliches Verwöhnprogramm an Essen und Trinken für unglaubliche 7 Euro pro Nacht. Uns ist nicht klar, wie die beiden davon leben können. Doch, es gibt noch eine zweite Erfahrung. Mostar. Vom Stadtkampf zerschossene Häuser direkt neben Neubauten. Kriegsgedenken. Gerade mal 20 Jahre. Erschreckend. Während meine Jungs eine behütete Kindheit hatten sind hier Frauen und Mädchen vergewaltigt und ermordet worden. Und Männer und Jungs wurden zu Vergewaltigern und Mördern. Wegen Religion und Politik. Auch auf dem Land stehen zerschossene Häuser neben neu erbauten. In Gebieten, die dermaßen abgeschieden sind, dass ich mich frage, warum wird in den Bergen ein Bauernhof von schwer schuftenden Menschen, die dem Land gerade so ihre Existenz abringen können, zerstört? Es wäre 1000mal besser, es mit Terry Pratchetts Scheibenwelt zu halten und die Politiker gleich nach der Wahl zu töten.

Leben. Mehrere Gedanken dazu. Das Reiseleben ist nur machbar, weil andere Menschen sesshaft sind und Anbau von Lebensmitteln und Aufzucht von Vieh betreiben und somit hart arbeiten. Ich hab mich am Anfang der Reise oft gefragt, was die Menschen in ihren Behausungen hält, warum sie arbeiten, um ein festes Zuhause bezahlen und ausschmücken zu können. Jetzt bin ich dankbar für die Sesshaften unter meinen Mitmenschen. Für mich ist durch Jans Erzählungen und eigene Erfahrungen klar geworden, dass mich der Minimalismus viel glücklicher macht, als das Leben in der 4-Zimmer-Wohnung oder dem Reihenhaus. Besitz belastet mich. Wenig zu haben und für nichts und niemanden sorgen zu müssen, entspannt mich. Hier der Dank an Heinz-Dieter. Der mit seiner Sesshaftigkeit unseren Jungs das Überleben garantiert. Danke Heinz-Dieter. Und der Dank an meine Jungs. Die mich nicht nur ziehen lassen sondern sich dran freuen, dass es mir mit dem Weg-sein gut geht. Danke Jan. Danke Tim. Wenn ich nicht schon so uralt wäre, würde ich auch noch meine Versicherungen kündigen, und einfach mit nichts unterwegs sein wollen. Außer mit der geliebten Frau. Der ich jetzt mal Danke sagen will, dass sie für mich sorgt, mir dieses Leben ermöglicht und mir zeigt, dass sie mich lieb hat. Danke Lisi.

Montenegro. Meeresküste sehr schön und wildromantisch. Da, wo es möglich wäre mit dem Womo hinzufahren, verbaut wie in Spanien: hässliche Hotels und hässliche Ferienanlagen. Das Gebirge: ein Traum!
Albanien: ganz ähnlich. Das Gebirge ein Traum. Die Küste: schlimmer als Spanien.

Kennt ihr noch Karl May? Ich muss immer wieder an den vierten Band der Orient-Erzählung denken: In den Schluchten des Balkan. Wie oft hab ich als Kind gedacht, hör doch auf mit den Landschaftsbeschreibungen und mach endlich weiter mit dem Abenteuer von Kara Ben Nemsi. Aber inzwischen kann ich ihn verstehen. Auch wenn er wohl die Schluchten nie selbst gesehen hat, sie sind so atemberaubend wie er sie beschreibt. Wahnsinnige Felsformationen und unglaublich frei fließende sich schlängelnde klare Gewässer, die sich zu Seen erweitern und von warmen Quellen gespeist werden.

Ich hab fast Angst vor Griechenland. Wenn das alles hier schon so überwältigend ist, dass es mir manchmal die Tränen in die Augen treibt….

Noch eine Ähnlichkeit der Balkanländer mit Italien, die Karl May noch nicht erleben musste, ist der katastrophale Zustand mit dem Müll. Die einzigen, die von den wilden Abfallbergen an Berghängen und Straßenrändern profitieren, sind die Straßenhunde und Straßenkatzen. Wenn sie auf den Stellplätzen auftauchen, werden sie auch von den Touristen (auch von uns) versorgt (und von Micky gejagt). In Shkodar kümmern sich Einheimische um die im Stadtpark lebenden Hunde. Sehr erfreulich. Und hier an der Therme in Permet sind die Katzen auch versorgt und heute Morgen haben ein Einheimischer und ich den herumliegenden Müll eingesammelt und in die beiden großen leeren Tonnen geworfen.

Das Bewusstsein ist da. Nicht bei allen. Aber bei manchen. Sehr erfreulich. Ich bin auch nicht immer konsequent, was das Müll einsammeln betrifft, aber ich bemühe mich redlich, so die Stellplatzgebühr an die Natur zu entrichten. Jedes bisschen zählt.

Ach ja, beinahe hätte ich jemanden vergessen. Ein lieber Junge, ein Freund von Jan, mit dem ich im Frühjahr ein Mittagessen geteilt und einige Zeit geredet habe. Er lies mich zum Abschied ein selbst beschriftetes und zusammengefaltetes Zettelchen aus einem Säckchen mit vielen solcher Zettelchen ziehen. Ich öffnete es, nachdem wir uns umarmt und verabschiedet hatten, und es begleitet mich seitdem und hilft mir aus vielen Situationen, an denen ich noch vor kurzem verzweifelt wäre.

Auf dem Zettelchen steht:
„Akzeptiere die Situation“
Danke auch dafür.

Ich liebe Euch alle. Schön, dass ihr meinen Weg akzeptiert, auch wenn ihr ihn nicht immer verstehen könnt. Fühlt euch alle umarmt und geknutscht. Eure Sigi/Mams

6 Gedanken zu „Von Sigi: Resümee der letzten 17 Tage“

  1. Liebe Sigi, das hast du wunderbar geschrieben. Kurz, knapp, wesentlich. Und herzlich. Ich wünsche Euch allen, wirklich jeden Tag, den Ihr genießen könnt, ihn zu schätzen wisst und Euch immer daran so positiv erinnern könnt! Ihr macht Mut. Danke. Weiterhin eine tolle Reise mit vielen „Ankommen“ und genießen.

    1. Ich hatte dir schon geantwortet, aber irgendwie hat da wohl das Netz wieder gestreikt… ich freu mich, wenn du das Benny zeigst. Das ist ein ganz besonderer Mensch…. genau wie Du!!! Hab dich lieb!!!

  2. Es macht Spass, eure Berichte zu lesen und wir sind immer mega gwundrig, wo ihr inzwischen steckt. All eure Erlebnisse erweitern den Horizont und machen uns hungrig auf neue, eigene Erfahrungen! Eure Blogs ergänzen sich wunderbar, Lisi’s detaillierte Höhepunkte wie auch das fundierte Résumée von Sigi, einfach grossartig!
    Macht weiter so und geniesst gemeinsam die Highlights in der herrlichen Natur!
    Herzliche Grüsse aus dem herrlichen Spanien von Hildegard und Rainer

    1. Danke Hildegard! Danke Rainer! Ich hatte es ja nicht geschafft auf dein liebes mail zu reagieren, weil sich danach die Ereignisse überschlagen haben. Umso mehr freut es mich, dass ihr immer noch am Ball seid und auch meine Beiträge lest und kommentiert.
      Ich mag euch beide sehr. Auch und gerade darum, weil ihr einen Menschen nicht „fallen lasst“, wenn er (zeitweilig) aus dem Leben der Partnerin „verschwindet“, sondern euch weiterhin interessiert. Das ehrt euch beide!!!
      Habt Dank und genießt Spanien!!!!

Kommentare sind geschlossen.