Eestis Gegensätze und Besonderheiten

Auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz vor Tallin kauften wir das Nötigste ein in einem kleinen Supermarkt. Wir wollten die wichtigsten Sachen dabei haben und befürchteten, keinen Laden mehr zu finden, sonst hätten wir sicherlich einen Umweg um die unfreundlich, abschreckende Stadt Paldiski gemacht. Schon auf dem Parkplatz lungerten paar komische Gestalten rum. Im Laden war es unangenehm und dann auf der Strasse… alles ziemlich abgewrackte, asoziale und alkholisierte Menschen. Trostlose Plattenbauhäuser…Schlimm!
Nach mehreren Anläufen, hier ist Ferienzeit und die Esten sind auch ein Volk von Strand, Feuer und Picknick und somit sind die meisten der zahlreichen Grillplätze schon besetzt, fanden wir eine leere Feuerstelle und dazu passenden Strandparkplatz für die Nacht.

Schloss Fall mit seinem „gewaltigen“ Wasserfall, der sich vom flachen still fliessenden Fluss über die Mauer beim Schlosspark „stürzte“, wollte Sigi natürlich unbedingt sehen… ich seh schon… nächstes Jahr müssen wir unbedingt auch eine gemeinsame Woche Schweizerreise einplanen, um ihr mal richtige Wasserfälle zu zeigen!😂👍

Bei Rummu karjäär wollten wir eigentlich die einmal andere Industrieruine anschauen, dort im klaren, blauen Wasser schwimmen und vielleicht auch Schnorcheln und dabei die versunkenen Gebäude betrachten, die bei der Stilllegung der Anlage überflutet wurden. Ein Teil war auch das Gefängnis von Murru, deren Gefangene damals im Marmorbergwerk arbeiten mussten…. wäre auch heute oft sinnvoll, gewisse Verbrecher in Steinwerken zur Zwangsarbeit zu verdonnern!
Zur heutigen Zeit ist dies wohl eine Attraktion für Touristen. Es war jedenfalls geschlossen und nur Freitag bis Sonntag, kostenpflichtig, zugänglich.
So versuchten wir es auf eigene Faust an den See zu kommen. Fanden auch einen freien „Badestrand“, wo Frau über Felsplatten/Terrassen ins türkisklare Wasser steigen konnte… herrlich und angenehm erfrischend… hätte uns fast verleitet als Stellplatz, doch war die Hauptstrasse nicht weit entfernt, der Autolärm unangenehm und die Gefahr für die Hunde (Freilauf) zu gross. Beim Weiterfahren, resp. Hoppeln, kamen wir an einen Platz oberhalb der Steilküste, wo Taucher ins Wasser stiegen. Der Fahrweg endete aber bei der grossen (Gefängnis?)Mauer. Auf der gegenüberliegenden Seite sollte laut Googlemaps eine Ferienanlage sein. Auf der Googlekarte fanden wir nur einen Weg, der dorthin und an die Bucht danach führen sollte. Also versuchten wirs.
Erst an den eindrücklich geformten Kalkbergen (wie in Kapadokien) vorbei auf rumpelnder Schotterstrasse, dann wurde es schmaler, wellig, ausgewaschen und matschig… natürlich konnten wir es nicht lassen, irgendwie müssen die Gäste ja zur Ferienanlage kommen! Tja … oder auch nicht .. plötzlich war fertig Strasse, ein Durchgang für Fussgänger oder Motocrosstöff durch trockenes Bachbett und danach ein Pfad.
Und wieder mal Wendemanöver à la Monschterburg mit Sigis Manövrierassistenz 🤣.
Ein Gebüsch musste noch unserer Säge weichen, dann gings zurück und am nächsten Waldweg rechts den Hügel hoch. Kurze Zeit und wir wurden mit einem Prachtplätzchen, gerade mal Platz für ein „kleines, kompaktes Mobil“, belohnt. Paar Schritte den steilen Pfad zum Wasser hinunter und schon konnten wir im tollen See schwimmen… schon ein bisschen ein komisches Gefühl über Häusern zu schwimmen!
Bis auf die Abends und Morgens dröhnenden Flugzeuge vom Flughafen Tallinn war der Platz total ruhig!
Von Tallin waren wir etwas enttäuscht und ernüchtert.
Erst der Beginn der Grossstadt mit den riesigen Einkaufszentren, Geschäften und Industrie. Dann die unendlichen, trostlosen Beton-Wohnsilos… wo es auf dem Land eine ständige Freude ist, die versteckten, weit verstreuten, hübschen Holzhäuschen zu entdecken…. ist es traurig, diese trostlose Ansammlung hässlicher Wohnblocks zu sehen. Und dann die Menschen. Wir haben in einem Supermarkt eingekauft, Gesichter studiert… fast alle griesgrämig, unfreundlich, sogar die (sonst oft störende) musikalische Berieselung fehlt. Die Kassiererinnen wie Automaten ohne ein nettes Wort. Nebenan in der Apotheke nicht anders, bei jedem angefragten Produkt schaute sie uns entsetzt an, schüttelte den Kopf und stammelte No. Wir hatten das Gefühl, sie wolle uns schnellstens lossein und nichts verkaufen.
Wieder im Womo beobachteten wir, etwas bedrückt, eine Weile die vorbeilaufende Bevölkerung… trotz regem Stadtbetrieb war es unwahrscheinlich ruhig, nicht mal die Vögel pfiffen und die Menschen hatten sich wohl nichts zu sagen, nicht mal die Jugendlichen machten Lärm.
Auch der Besuch der Altstadt munterte uns nicht wirklich auf. HandyCraftshops, Souvenierläden, unmodische Mode und überteuerte Lokale.

Nette, alte, schmuckvolle Häuser und viele Touristen… wie eigentlich in jeder mittelalterlichen Stadt. Und ein solches Überangebot von Restaurants, dass wir uns für keines entscheiden konnten.
Irgendwie verstehen wir die Mentalität der Esten nicht, fast überall sonst ist es so einfach und selbstverständlich, mit fremden Leuten in Kontakt zu kommen. Ein freundliches Good Morning… oder hier Tärä und schon sprudelt ein kurzes Gespräch hervor… hier wird es höchstens kurz und erstaunt erwidert aber viel öfter ignoriert und vorbei geschaut.
Müssen sie die Offenheit erst lernen? Und dabei machen sie so viel Tolles für den Tourismus und auch für Einheimische!
Ein junger Pole auf dem Parkplatz rettete unsere Stimmung…
Er fragte nach Kleingeld für den Parkscheinautomaten und hielt mir einen 5 Euroschein hin, nachdem wir ihn beim Versuch vorher, bei einer unwirsch ablehnenden jüngeren Frau beobachteten. Wir kamen ins Gespräch, er fragte von wo wir seien und wohin wir weiter reisen. Da sprudelte mir gleich mal aus dem Mund… wir fuhren auch schon durch Polen, Littauen und Lettland bis hier, die Polen waren die fröhlichsten und aufgeschlossensten bis hier. Ein riesiger Smiley überzog sein Gesicht, wir sagten Tschüss und er drückte uns spontan und herzlich an sich 🤗👍💚.
Eine nette Geste und unser Tag war gerettet!
Mkkg
Der Schlafplatz lag wieder an der Ostsee, nett gelegen mit mehreren Grill- und Picknickstellen, Brennholz- und Trockentoilettenhäuschen… sogar eine Rampe für Rollstühle führte hinauf, ein Blockhaus mit begrüntem Dach! Einfach Klasse!
Aber ans Ostseewasser und Strände werden wir uns nicht gewöhnen, Algen, Schaum und Oelschlieren verderben den Gluscht aufs Schwimmen und riechen tut es auch nicht einladend.
So suchten wir gestern, trotz der aufdringlichen Mücken und andern stechenden Brummern, einen Platz an einem der vielen Seen.
Auch da waren viele schon besetzt oder es hatte andere Hunde dort. Unsere Vierbeiner waren schon lange im Womo gehockt und möchten auch frei rumtollen, Castello ist fremden Hunden und Menschen gegenüber zwar vorsichtig, doch wollen wir nichts riskieren.
Also leitet mich Sigi weiterhin über kleine, holperige Waldsträsschen durch den Wald und wir suchen nach den versteckten kleinen Seen. Überall ist der Boden mit Heidelbeersträuchern bedeckt. Dann stehen wir vor einer Brücke… und verlieren dabei auch mal unseren Mut… ein grosses Loch ist rausgebrochen, die Balken beängstigend morsch! Also wenden und einen Umweg fahren.
Der wurde später schön belohnt. Auf einer Waldlichtung direkt am Seelein eine offene Feuerstelle und etwas morsche Bänke, dabei ein Paar am Picknick.
Nun, wir parken etwas abseits und entschliessen uns, wenigstens rasch schwimmen zu gehen.
Tja und sollten wir nun etwa ein schlechtes Gewissen haben?? Die zwei packten ihr Zeugs zusammen und als wir aus dem angenehmen Moorwasser stiegen…. war das Feld geräumt.
Nun steht unsere Monschterburg direkt am Wasser, wir haben erst die Feuerstelle und den Platz entmüllt und Sigi hat noch mehrere Eimer Asche aus der Feuerstelle geschaufelt, damit das Feuer auch im Schutze der Steine brannte.
Bald brutzelten feine Würste, Knoblibrot und Maiskolben auf der Glut.
Es ist unheimlich still hier…zeitweise hört man nicht mal einen Vogel und was selten ist… kein Schwan, keine Ente, nix schwimmt auf dem See.


Nur mal paar Offroader sind brummend den Sandweg durch den Wald gefahren.
Unglaublich so ein Paradies für uns alleine. Die Hunde, vor allem Andra (die ja sonst oft angeleint ist) geniessen das Tun und Lassen was sie wollen. Castello beobachtet die Hunde, wie sie durchs Wasser waten, streckt neugierig mal die Pfote rein um sie dann angeekelt rauszuziehen und zu schütteln.
Wir geniessen es, keine einengenden Badeanzüge tragen zu müssen und weit in den See zu schwimmen… begleitet von Janosch, der das gemeinsame Schwimmen immer noch sehr geniesst… oder will er uns nur begleiten um uns im Notfall zu retten?!
Sonst wird er immer älter und schläft oder döst viel vor sich hin.
Micky hat sich an die Prozedur mit Blutzucker messen (der rauf und runter segelt) und Insulin spritzen gewöhnt, jagt immer noch schwänzelnd durch Büsche, Gras und Schilf irgendwelchen unsichtbaren Viechern nach.
Rulo wird ständig anhänglicher, geniesst immer öfter Siestas neben uns draussen liegend und freut sich an dem ständigen Freigang.
Andra wie immer, oft träge und schnarchend auf ihrem „Bett“, findet es aber auch sehr spannend, mal ab zu zischen und alleine auf Entdeckungstour zu gehen, oder wälzt sich nach dem Bad genüsslich in der frisch gegrabenen Erdkuhle 😳.
Castello der kleine Frechdachs wächst und wird mutiger und abenteuerlustig. Er hat gestern seine erste (Baby) Maus gefangen!
Und wir geniessen die Zwei- bis Siebensamkeit, und die Einsamkeit der estnischen Wälder am See!